Strategien, Tipps und Impulse für Eltern
Der Alltag mit einem hochsensiblen Kind kann für Eltern eine Herausforderung sein, die oft an ihre Grenzen geht. Hochsensible Kinder nehmen ihre Umwelt intensiver wahr als andere. Geräusche, Gerüche, Stimmungen und sogar das Verhalten anderer Menschen können sie tief berühren. Dies kann zu Überforderungen und emotionalen Ausbrüchen führen, die für Eltern oft schwer zu verstehen und zu bewältigen sind. Doch es gibt Möglichkeiten, den Alltag harmonischer zu gestalten und dein Kind in seiner Hochsensibilität zu unterstützen.
Was bedeutet Hochsensibilität?
Hochsensibilität ist keine Krankheit oder ein Problem, sondern eine Veranlagung, ein Wesenszug. Etwa 15-20% der Menschen gelten als hochsensibel, was bedeutet, dass ihr Nervensystem feiner abgestimmt ist und sie Reize intensiver verarbeiten. Hochsensible Kinder haben oft ein ausgeprägtes Empathiegefühl, nehmen subtile Veränderungen in ihrer Umgebung wahr und reagieren stark auf emotionale und sensorische Reize.
Diese Sensibilität kann sich in verschiedenen Bereichen des Alltags zeigen: laute Geräusche können sie schnell überfordern, unvorhergesehene Veränderungen im Tagesablauf können Ängste auslösen und intensive soziale Interaktionen können sie erschöpfen. Doch mit dem richtigen Umgang können hochsensible Kinder lernen, ihre Sensibilität als Stärke zu nutzen.
Alltagssituationen und wie man damit umgeht
Im Folgenden werden einige typische Alltagssituationen beschrieben, die Eltern mit hochsensiblen Kindern häufig erleben. Dazu gibt es konkrete Impulse, wie du als Elternteil auf diese Situationen reagieren und deinem Kind helfen kannst, seine Emotionen besser zu regulieren. Wichtig dabei ist: jede Familie ist anders, was einer Familie hilft, kann für die andere ungeeignet sein. Findet euren eigenen Weg, der für eure gefühlvolle Familie passend ist.
1. Der Morgen beginnt – das Anziehen
Situation: Der Morgen kann bereits die erste Herausforderung des Tages sein. Hochsensible Kinder können Schwierigkeiten mit bestimmten Kleidungsstücken haben. Ein kratzender Pullover, zu enge Hosen oder Socken, die nicht perfekt sitzen, können zu großem Unbehagen führen.
Impuls: Achte darauf, dass die Kleidung deines Kindes angenehm ist und keine unangenehmen Reize verursacht. Lasse dein Kind, wenn möglich, selbst seine Kleidung auswählen. Dies gibt ihm ein Gefühl von Kontrolle und reduziert den Stress. Wenn dein Kind auf ein Kleidungsstück empfindlich reagiert, versucht es durch ein anderes zu ersetzen.
2. Auf dem Weg zur Schule – Lärm und Hektik
Situation: Der Weg zur Schule oder zum Kindergarten ist oft voller Geräusche und Reize. Autos, Menschenmengen, laute Gespräche – all dies kann für ein hochsensibles Kind überwältigend sein und zu Stress führen.
Impuls: Versuche, den Schulweg so ruhig und angenehm wie möglich zu gestalten. Wenn möglich, wähle eine weniger belebte Route. Gib deinem Kind die Möglichkeit, sich mental auf den Tag vorzubereiten, indem ihr über den kommenden Tag sprecht oder eine kleine, beruhigende Morgenroutine entwickelt. Es kann auch helfen, beruhigende Musik oder Hörspiele während der Fahrt zu hören, um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen.
3. In der Schule – soziale Interaktionen und Reizüberflutung
Situation: In der Schule sind hochsensible Kinder oft intensiven sozialen Interaktionen und einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt. Dies kann zu Erschöpfung und Stress führen, besonders wenn sie versuchen, den Erwartungen ihrer Lehrer und Mitschüler gerecht zu werden.
Impuls: Sprich mit den Lehrern deines Kindes über seine Hochsensibilität. Sie sollten wissen, dass dein Kind vielleicht mehr Pausen oder Rückzugsmöglichkeiten braucht. Unterstütze dein Kind darin, seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und auszudrücken. Du kannst ihm beibringen, wie es sich selbst kurze Auszeiten nehmen kann, indem es beispielsweise tief durchatmet oder kurz an die frische Luft geht.
4. Nachmittagsaktivitäten – das Bedürfnis nach Ruhe
Situation: Nach der Schule oder dem Kindergarten sind viele Kinder in Freizeitaktivitäten eingebunden. Für hochsensible Kinder kann dies jedoch eine weitere Quelle der Überstimulation sein.
Impuls: Höre auf die Signale deines Kindes. Wenn es nach der Schule müde und reizüberflutet wirkt, solltest du ihm die Möglichkeit geben, sich auszuruhen, anstatt es in weitere Aktivitäten zu drängen. Plane entspannte Nachmittage ein, an denen dein Kind einfach zu Hause bleiben und sich erholen kann. Kreative Aktivitäten wie Malen oder Basteln in einer ruhigen Umgebung können ebenfalls eine beruhigende Wirkung haben. Auch Zeit in der Natur oder mit Tieren kann eine wertvolle Nachmittagsbeschäftigung sein.
5. Der Abend – das Zubettgehen
Situation: Der Übergang vom aktiven Tag zur ruhigen Nacht kann für hochsensible Kinder schwierig sein. Sie sind möglicherweise noch von den Eindrücken des Tages aufgewühlt und können sich schwer entspannen.
Impuls: Etabliere eine beruhigende Abendroutine, die deinem Kind hilft, zur Ruhe zu kommen. Ein warmes Bad, eine Geschichte vor dem Schlafengehen oder eine geführte Meditation können helfen, den Tag entspannt abzuschließen. Vermeide laute Geräusche und grelles Licht in den Stunden vor dem Schlafengehen, um eine ruhige Atmosphäre zu schaffen.
6. Konfliktsituationen – starke Emotionen
Situation: Hochsensible Kinder erleben Emotionen intensiver und können in Konfliktsituationen schnell überwältigt werden. Dies kann zu Wutanfällen oder Tränen führen, die schwer zu händeln sind.
Impuls: Bleibe ruhig und einfühlsam. Nimm die Gefühle deines Kindes ernst und gib ihm Raum, diese auszudrücken. Du kannst deinem Kind beibringen, wie es seine Emotionen durch Worte oder kreative Ausdrucksformen wie Zeichnen oder Kneten verarbeiten kann. Vermeide es, die Gefühle deines Kindes herunterzuspielen oder abzulenken – dies kann dazu führen, dass es sich unverstanden fühlt.
Praktische Tipps für den Alltag mit einem hochsensiblen Kind
Neben den spezifischen Alltagssituationen gibt es allgemeine Strategien, die dir helfen können, den Alltag mit deinem hochsensiblen Kind entspannter zu gestalten.
1. Entwickle Routinen und Strukturen
Hochsensible Kinder profitieren von klaren Strukturen und Routinen. Diese geben ihnen Sicherheit und helfen, die Vielzahl von Eindrücken und Reizen zu ordnen. Feste Abläufe und vorhersehbare Übergänge können Stress reduzieren und das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit fördern.
2. Achtsamkeit und Selbstfürsorge
Achte darauf, dass auch du als Elternteil achtsam mit dir selbst umgehst. Hochsensible Kinder nehmen die Emotionen und den Stress ihrer Eltern oft intensiv wahr. Wenn du gestresst bist, überträgt sich dies schnell auf dein Kind. Plane regelmäßige Pausen für dich ein und sorge dafür, dass du dich um deine eigene mentale und emotionale Gesundheit kümmern kannst.
3. Förderung der Selbstregulation
Hilf deinem Kind, Strategien zur Selbstregulation zu entwickeln. Dies kann durch einfache Atemübungen, kurze Meditationsübungen oder das Schaffen von Ruhezonen im Haus geschehen. Diese Techniken helfen deinem Kind, in stressigen Situationen Ruhe zu finden und seine Emotionen zu kontrollieren.
4. Akzeptiere und respektiere die Grenzen deines Kindes
Jedes Kind ist anders, und das gilt besonders für hochsensible Kinder. Akzeptiere die Grenzen deines Kindes und respektiere seine Bedürfnisse nach Ruhe und Rückzug. Dränge es nicht in Situationen, in denen es sich unwohl fühlt, sondern biete ihm die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen und seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu kommunizieren.
5. Kommunikation ist der Schlüssel
Eine offene und einfühlsame Kommunikation ist entscheidend. Sprich mit deinem Kind über seine Gefühle und Bedürfnisse und ermutige es, sich auszudrücken. Dies stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein deines Kindes, sondern hilft dir auch, seine Hochsensibilität besser zu verstehen und darauf einzugehen.
Zusammenfassend: Hochsensibilität als Stärke sehen
Der Alltag mit einem hochsensiblen Kind kann fordernd sein, aber er bietet auch die Möglichkeit, dein Kind in seiner Einzigartigkeit zu unterstützen und zu stärken. Hochsensible Kinder haben oft ein tiefes Verständnis für die Welt um sie herum, eine starke Intuition und eine außergewöhnliche Empathie. Diese Eigenschaften können zu einer großen Stärke werden, wenn sie richtig gefördert und unterstützt werden.
Indem du die Bedürfnisse deines Kindes ernst nimmst, ihm klare Strukturen und liebevolle Unterstützung bietest und ihm hilfst, seine Emotionen zu regulieren, schaffst du eine Basis, auf der es sicher und selbstbewusst aufwachsen kann. Hochsensibilität ist keine Schwäche – es ist eine besondere Gabe, die dein Kind in seiner Entwicklung bereichern kann.
Wenn du dich auf die Reise machst, die Hochsensibilität deines Kindes besser zu verstehen und es auf seinem Weg zu unterstützen, wirst du feststellen, dass du nicht allein bist. Viele Eltern machen ähnliche Erfahrungen und Herausforderungen durch. Gemeinsam können wir lernen, diese besonderen Kinder zu begleiten und ihnen die Stärke zu geben, die sie brauchen, um in einer oft überwältigenden Welt zurechtzukommen.
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Sarah von gefühlvolle Familien