Mein Kind trägt mit 4 Jahren noch eine Windel

Ist mein Kind ein Schreibaby? Baby schreit ständig -gefuehlvolle_Familien

Wahrheit oder Lüge? Ein Tabuthema? Leider ja.

Mein Kind trägt noch Windeln, obwohl es schon vier Jahre alt ist.

 

Im Laufe der letzten Jahre zeigt sich das „Windelthema“ in Windeseile immer mehr als eher nicht salonfähig. Anstatt den Kindern entspannt ihren eigenen Rhythmus zu gewähren, stellen sich viele Eltern dem leidigen Thema und geraten damit häufig und schlussendlich in eine Dauerschleife.

 

Kommen Ihnen folgende Sätze bekannt vor?

„Ist es normal, dass mein Kind mit 4 Jahren noch Windeln trägt?“

„In den Kindergarten darf mein Kind nur, wenn es keine Windel benötigt.“

„Die Kinder befreundeter Familien gehen bereits auf die Toilette. Warum meines nicht? Entspricht das seinem Entwicklungsstand oder ist es entwicklungsverzögert?“

 

Fakt ist, dass sich damit gerade Eltern, die auf einen Kita-Platz angewiesen sind, vehement unter Druck setzen und dabei leicht übersehen, dass jedes Kind einzigartig und wunderbar ist und somit auch seine Entwicklungsschritte.

Stellt sich die Frage:

 

„Gibt es den richtigen Zeitpunkt zum „Sauber“ werden?“

 

Diese Frage stellte sich im Speziellen, als bei uns in der Kita ein Vorschulkind nicht eigenständig auf die Toilette ging.

Mittlerweile gibt es nur noch sehr wenige Kindergärten, die bei sogenannten Windelkindern zusätzliche Kosten berechnen. Vermutlich entstanden durch den immerwährenden Personalmangel, jedoch völlig kontraproduktiv für die Zöglinge. Auch in den Kitas wird Personal regelmäßig geschult. Diese Fortbildungen beinhalten selbstverständlich auch das Thema trocken bzw. windelfrei sein und jede Fachkraft weiß, dass kein Kind mit 3 Jahren diesem Wunschdenken gerecht werden muss.

 

Individualität ist hier definitiv gefragt!

 

Entwicklung in den unterschiedlichsten Bereichen gestalten sich bei jedem Kind entwicklungsorientiert, basierend auf Interessen, Talenten, Förderungen, Charaktereigenschaften etc.

 

Dass sich viele Eltern selbst unter Druck setzen, weil sie ihr eigenes Kind mit anderen vergleichen, stellt keine Dauerlösung dar. Hier wird leider oftmals auch verbal „geheizt“. Als kleine Randnotiz: „Vergleichen Sie Ihr(e) Kind(er) niemals mit anderen, dies zieht immer neue Vergleichsthemen in die Familie und belastet Kind(er) als auch Eltern immens.“ Aber heute geht es natürlich nur ums „Sauber werden“.

Wie kann ich Ihnen, liebe:r Leser:In, den Druck ein wenig erleichtern?

Wie betrachten Sie sich als Erwachsene? Sind wir alle gleich? Kennen Sie jemanden, der völlig angstfrei durchs Leben geht? Sind Sie bei Ihrem Tun und Wirken überall perfekt? Was leben Sie mit großer Freude und was nicht? Fühlen Sie sich dabei wohl, einfach mal die Seele baumeln zu lassen?

Der ganz normale Alltag, mit seinen Höhen, manchmal auch Tiefen und unter uns: „Interessiert es heute irgendjemanden, wann Sie sauber waren?“

 

 

Tauchen wir kurz ein in das kleine Einmaleins des wissenschaftlichen „Sauber werdens“.

 

In den frühen 60er Jahren wurden Kinder beim Erwachsenwerden begleitet. Bereits im ersten Lebensjahr begann man mit dem sogenannten Töpfchentraining, um sie schnellstmöglich „trocken“ zu bekommen. Kochten damals die meisten Mütter Stoffwindeln in einem großen Topf, meist sogar auf der Herdplatte aus, so kann dies durchaus nachvollzogen werden. Existieren vielleicht sogar bei manchen von Ihnen oder Ihren Eltern, Fotos, wo Sie in der Nacht gestützt und mit geschlossenen Augen auf der Toilette sitzen und quasi abgehalten werden?

In den 70er/80er Jahren änderte sich der Erziehungsstil und er wurde ein wenig kindorientierter. Ein Töpfchentraining fand zwar nach wie vor statt, jedoch ließ man den Kindern ca. 14 Monate mehr Zeit, um damit zu beginnen.

Die Erfindung der Wegwerfwindeln, mit deren Entwicklung der Amerikaner Victor Mills Anfang der 50er Jahre seinen Einzug hielt, läuteten eine neue Ära ein; den Wechsel von der Stoff- zur Einwegwindel. Diese Erleichterung nahmen viele Eltern und Großeltern dankbar an, die Relevanz des „Sauber werdens“ entspannte sich. Bis die sogenannten „Pampers“, die heute zu den Marktführern zählen, allerdings auf dem deutschen Markt in den Supermarktregalen erschienen, dauerte es bis 1961.

Zurück zu den Studien.

 

Welches Fazit lässt sich aus einem frühen oder späteren Trainingsstart ableiten?

 

Das „Trocken werden“ ist grundsätzlich ein Reifeprozess und lässt sich nicht wirklich antrainieren.

 

Ein Kind lernt zuerst Blase und Darm zu kontrollieren. Diese Entwicklung liegt meistens zwischen dem 2. und 5. Geburtstag.

 

 

Gerade in den ersten Lebensjahren entwickeln Kinder unzählige Fähigkeiten.

 

Sie lernen sprechen und laufen, soziale Kompetenz und Beziehungen spielen eine elementare Rolle. Das sich selbst Erkennen und Erforschen ist primär interessant, greifen, malen, singen, den eigenen Rhythmus finden, fremden Rhythmus erkennen, puzzeln, Bücher anschauen, Balance auf dem Laufrad halten etc. Ihr Gedächtnis entwickelt sich unglaublich schnell, sie entdecken jeden Tag neues Terrain.

Widmen wir uns explizit dem Thema der Motorik. Gleichgewicht finden, Balance halten, sind wichtige Bewegungsabläufe zum sicheren Stehen, Gehen, Laufen. Selbständiges Hinsetzen und Aufstehen, sowie Kleidungsstücke an- und ausziehen, erwähnen hier nur einige Punkte, die sich als elementarer Entwicklungsbereich darstellen und weitere Vorstufen zum eigentlichen „Sauber werden“ aufzeigen.

Welche Entwicklungsschritte dürfen noch Beachtung finden? Wenden wir uns der Persönlichkeitsentwicklung zu. Das Kind entdeckt sich selbst, vertritt seine eigenen Interessen, teilt seine Bedürfnisse deutlich mit. Es ist resilient, also widerstandsfähig, um mit Misserfolgen umzugehen. All diese Bereiche sollten Beachtung finden, sind sie doch dafür verantwortlich, dass ein Kind Schritt für Schritt Interesse bekundet, überhaupt auf die Toilette gehen zu wollen.

Sprechen wir über eine wichtige medizinische Komponente, so folgt nun der Muskeltonus, also das Anspannen von Beckenboden- und/oder Schließmuskulatur, um zu spüren, ob Blase und/oder Darm gefüllt sind. Diese Funktion entwickelt sich dem natürlichen Rhythmus des Kindes angepasst.

Meist entwickeln Kinder zur gegebenen Zeit Eigeninitiative, um an das Thema „auf die Toilette gehen“ heranzugehen.

 

Kognitive Entwicklungen, also das Wahrnehmen, Denken und Erkennen von Zusammenhängen tragen selbstverständlich immens zum Erfolg bei.

Hierzu gehören:

Nasse Windel. = Ich habe Pipi gemacht.

Meine Blase ist voll. = Ich muss auf die Toilette.

Letztendlich gilt auch hier: „Schenken Sie Ihrem Kind Zeit für Individualität und es wird meistens in seinem eigenen Zeitfenster selbständig auf die Toilette gehen.“

 

Keiner erlebt die Entwicklung Ihres Kindes so hautnah wie Sie und kennt es so gut. Hören Sie einfach auf Ihr Bauchgefühl. Sollten Sie verunsichert sein, können Sie sich natürlich jederzeit fachliche Kompetenz suchen. Aber bitte machen Sie sich nicht verrückt.

90 Prozent der Kinder entwickeln die Fähigkeit und das Bedürfnis, auf die Toilette zu gehen, zwischen dem 2. und 4. Lebensjahr.

 

 

Doch wie reagieren, wenn das Kind wirklich nicht auf die Toilette gehen kann oder möchte, obwohl es schon fünf oder sechs Jahre zählt?

 

Hier unterscheiden wir zwischen dem Einnässen nachts und tagsüber, als auch dem Einkoten.

Verhaltensweisen dieser Art beobachten und notieren Sie idealerweise über einen gewissen Zeitraum.

War Ihr Kind im Vorfeld schon sauber? Gibt es evtl. einen Zusammenhang über eine Veränderung im privaten Umfeld des Kindes? Mit ein wenig Glück finden Sie den Grund heraus und können leicht Abhilfe schaffen.

Geht Ihr Kind auf Toilette, hat es aber noch nie geschafft tagsüber oder nachts komplett „sauber“ zu sein? Besprechen Sie dies bitte am besten mit Ihrem Arzt / Ihrer Ärztin.

 

In der Fachsprache unterteilt man in:

Einnässen des nachts, bezeichnet als „Enuresis nocturna“.

Einnässen auch tagsüber, bezeichnet als „Enuresia diurna“.

Einkoten, bezeichnet als „Enkopresis“.

 

Weitere wichtige Faktoren finden sich auf der medizinischen und psychischen Ebene.

 

Medizinisch betrachtet lassen sich folgende Möglichkeiten definieren:

  • Entwicklungsverzögerung der Blasen- bzw. Darmkontrolle
  • Mangel an antidiuretischen Hormonen (ADH) im Körper. Dies führt zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit der Niere bei deutlich erhöhter Urinausscheidung, was im Umkehrschluss zu einem vermehrten Durstgefühl führt
  • Ein erhöhter ADH-Wert führt zu einer gesteigerten Wasserspeicherung im Körper, Blutsalze im Körper werden stark verdünnt
  • Fehlender „Weckreiz“ der gefüllten Blase unterbindet das Gefühl auf die Toilette zu müssen. Somit merkt das Kind nicht, dass Harndrang besteht
  • Vorliegende Harnwegsinfektion
  • Sehr selten liegt eine Fehlbildung des Organs vor. Dies wird in der Regel bereits im Säuglingsalter bemerkt
  • Körperliche Beeinträchtigung

 

Psychisch betrachtet lassen sich folgende Möglichkeiten definieren:

  • Kind fühlt sich unter Druck gesetzt von Erwachsenen oder älteren Geschwistern, entwickelt Angst und kann/möchte aus diesem Grund nicht auf die Toilette gehen.
    • Das „Verschwinden“ des eigenen Stuhlgangs bei Betätigung der Klospülung kann sogar eine große Verlustangst auslösen. Kinder finden hierbei für sich gerne eine eigene Lösung. Sie drücken in die Windel, wollen nicht hinunterspülen oder verweigern den Toilettengang komplett. Dies nennt man auch das „Toiletten – Verweigerungssyndrom“. Es tritt allerdings häufiger beim Stuhlgang auf und zeigt sich meist nur vorübergehend. Wichtig ist, das Kind hierbei positiv zu bestärken und es in seinen Gefühlen zu begleiten.
  • Traumata jeglicher Art.
  • Auch das sog. „Kleinhalten“ (Kind wird seines Entwicklungsstandes zufolge unzureichend gefördert) kann zur Inkontinenz führen.

 

 

Pauschal lässt sich sagen:

  • Zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr werden ca. 50 % aller Kinder „trocken“.
  • Bis zum 4. Lebensjahr weitere 40 %.
  • Die restlichen 10 % sind in der Regel bis zum 5. Geburtstag sauber.

 

Unabhängig zur Altersspanne, unterstützen Sie Ihr Kind in seiner Entwicklung. Übernehmen Sie Vorbildfunktion, nehmen Sie es mit auf die Toilette, erklären Sie warum Sie auf die Toilette gehen, bieten Sie die Möglichkeit auf die Toilette zu gehen immer wieder an. Hilfreich zeigt sich oftmals auch ein positionierter Hocker oder ein kleiner Toilettensitz, der in der Selbständigkeit unterstützt.

 

 

 

Das Wichtigste noch einmal zusammengefasst

 

  • Unterstützen Sie Ihr Kind in seiner individuellen Entwicklung. Es ist ein toller Mensch.
  • Setzen Sie ihr Kind bitte nicht unter Druck. Dies zeigt sich eher kontraproduktiv.
  • Vergleichen Sie Ihr Kind nicht mit anderen und lassen Sie andere Eltern einfach reden.
  • Ist Ihr Kind unter 4 Jahre jung, machen Sie sich bitte keine Gedanken.
  • Ist Ihr Kind bereits 4 Jahre und verweigert auf die Toilette zu gehen, kommunizieren Sie bitte mit Ihrem Kinderarzt / Ihrer Kinderärztin.
  • Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Kind. Vielleicht kann es Ihnen erklären warum es nicht auf die Toilette gehen möchte. Beziehen Sie Ihr Kind mit ein, es versteht mehr als wir Erwachsenen manchmal denken.
  • Beobachten Sie das Toilettenverhalten Ihres Kindes. Notizen können hilfreich sein, um Verhaltensmuster zu erkennen bei z. B. Veränderungen im privaten Umfeld. Wo steht es evtl. unter Druck. Könnte eine Harnwegsinfektion dahinter stecken etc.?

 

 

Abschließende Worte zur Motivation an Sie als Eltern

 

  • Sie sind die Fachkraft für Ihr Kind.
  • Niemand kennt Ihr Kind so gut wie Sie!
  • Fühlen Sie sich verunsichert, wenden Sie sich vertrauensvoll an Ihre(n) Kinderarzt/Kinderärztin, eine vertraute Bezugsperson im Kindergarten oder eine Fachkraft im privaten Umfeld.
  • Stellen Sie sich stets auf die Seite Ihres Kindes.
  • Seien Sie entspanntes Vorbild, distanzieren Sie sich von jeglicher Meinungsbildung und vergleichen Sie bitte niemals Ihr Kind mit anderen Kindern. Sie wollen Sie nicht ärgern, sie sind perfekt, wie sie sind.

 

 

Verfasserinnen:

 

 

 

 

 

 

 

Annette Puhla (gefühlvolle Familienbegleiterin) @ressourcen_zum_glueck

 

 

 

 

 

 

 

 

Jana von Rüden (gefühlvolle Familienbegleiterin) www.dorfkindlachen-familienbegleitung.de

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Schreibabys gefühlvoll begleiten - Marei Theunert

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